Literatur
aus Österreich
„DIE SYMBIOTEN“
Donnerstag, Regen, immer noch
Alles bleibt offen; nichts wurde geöffnet, nichts also, was eröffnet
worden wäre. Die Schädeldecken sind immer noch intakte Schutzschilde
gegen den Himmel, die Hirnhäute, noch nicht aufgeschnitten, liegen
gleicht entwässerten Quallen dazwischen. Die Verletzungen aber sitzen
tiefer; keine Tomographie der Seele, die sie aufzudecken imstande
wären.
Das Offene gegen das Geschlossene. Ja gegen Nein. Dennoch ein
Sprechen: eines dagegen, eines dafür, ohne links und rechts zu
schauen. Nichts ist zu sehen weit und breit, nicht als das Helle, das
Dunkle.
April, Sonntag, sonniger
Mit einem Ruck, klappt der Plafond auf, wird das Dach weg gehoben: Die
Schädeldecke der Welt liegt nunmehr offen, schutzlos da.
Energiegebündelte Sonnennadeln könnten ungehindert eindringen, könnten
das gallertig Schwarze zurückdrängen und zunichte machen.
Offenbarungen geöffneter Schädel aber sind immer noch Bestandteile
erreichbarer Märchen: keiner der beide dachte an diese Möglichkeit
seiner Errettung. Finsternis also weiterhin. Das Unerwartete ist nicht
eingetreten: keinem Vogel wird Gelegenheit gegeben, über alldem
hinwegzufliegen. Es bestünde ja dann die Gefahr, er schriee mit einem
schrillen Laut die Freiheit herbei, ja, er würde seinen
Freiheitsschrei loslassen, über all die ersehnten Landschaften.
Dennoch, zu hoch flöge er, zu weit entfernt wäre sein stoßender
Schrei, als dass er Gehör fände: Die Warnung würde im Äther
zerstieben. Alles nun scheint offen, das Licht kann dennoch nicht
eindringen.
Aus Literatur aus Österreich, Heft 222, Jahrgang 38, Februar 1993
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