„Die
Schneckenmumie“
Ich nehme also meine ganze Kraft, die mir
geblieben ist, zusammen und wünsche mich weit hinauf in die klare
Unendlichkeit des Himmels. Unerwartet finde ich mich stahlnadelgleich
auf der Spitze eines Blitzes wieder und verglühe bereits zu
Himmelslava, noch ehe ich den nächsten Wunschort erdacht habe. Sodann
stelle ich mir vor, am Berg Golgatha zu stehen, ohne dabei an ein
Kreuz zu denken, sondern nur stumm dort oben zu wachen und zu warten,
mich schließlich abzuwenden, um meine Tränen zu verbergen. Oder ich
wünsche mich ins Geäst jenes alten Nussbaumes, in dessen Krone ich als
Kind oftmals saß und dabei heimlich das Treiben unter mir beobachtete.
Auch könnte ich mich, ohne auf Hindernisse zu stoßen, sofort ins
Schlaraffenland begeben. Alle meine Wünsche würden dort erfüllt
werden, bis die Demut langsam an meinem zerfallenden Kadaver
emporkröche. Sogleich wünschte ich mich dann ins „Land meiner Träume“:
Derart unfassbar wäre aber dieser Ort, sodass ich erblindete, noch ehe
ich ihn erblickt hätte. Schließlich aber würde ich durch mein Wünschen
in jenem Haus ankommen, das ich zaghaft mein eigenes nennen könnte.
Auch dieser Wunsch hätte fatale Folgen: Kaum, dass ich es betreten
hätte, würde es vor meinen Augen niederbrennen. Und zurück bliebe nur
meine Sehnsucht nach Geborgenheit. Mit tränenden Augen stünde ich da
und würde in den Feuerqualm starren. Es bliebe mir dann nur noch die
Möglichkeit, in die Tiefe der Meere einzutauchen, um an deren Grunde
für immer zu versteinern. Wahrscheinlich aber werde ich mich verzagt
in die finsterste Erdenhöhle wünschen und auf ein tröstendes Wort
hoffen, das niemals bis zu mir herab dringen wird. Denn ich werde in
der kalten Erde von allem abgeschirmt, somit lebendig begraben sein
und künftig nichts mehr an meinem Zustand ändern wollen. Und doch sind
mir alle Möglichkeiten an Wünschen offen gestanden.
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